Gastbeitrag von RadEntscheid Essen
Morgens auf dem Rad entspannt zur Arbeit fahren: Das ist gerade in Großstädten im Ruhrgebiet leichter gesagt als getan. Radwege gibt es nicht an allen Hauptstraßen und wenn doch, sind sie oft schlecht, unsicher oder enden im Nichts. Von Fahrradampeln oder Lastenrad-Parkplätzen kann man höchstens träumen – Realität ist stattdessen mehr Flickenteppich als Radwegenetz. Wer mit dem Rad auf der Straße unterwegs ist, kann sich nicht auf die 1,5 Meter Sicherheitsabstand der Autofahrer*innen verlassen – zu oft sind die Radfahrer*innen anderen auf der Straße und auf dem Bürgersteig “im Weg”.
Dabei ist das Fahrrad das Verkehrsmittel der Zukunft. Klimaneutral, günstig und platzsparend – und obendrein hält es auch noch fit und: Fahrradfahren ist einfach ein Genuß! Die Luft wird sauberer, der Stau weniger und der öffentliche Raum wieder größer, wenn es weniger Autos und stattdessen Fahrräder gibt.
Andere Länder wie Dänemark, die Niederlande und Belgien haben das vor langer Zeit erkannt und fördern das Fahrradfahren gerade in Großstädten konsequent. Die niederländische Stadt Utrecht investiert 132 Euro pro Kopf und Jahr in die Fahrradinfrastruktur, Kopenhagen investiert 36 Euro pro Einwohner*in. Die Stadt Essen hat in den vergangenen Jahren weniger als zwei Euro pro Person und Jahr investiert. Es braucht offenbar ein deutliches Zeichen aus der Bevölkerung, damit sich das ändert.
Im letzten Jahr hatte die Volksinitiative “Aufbruch Fahrrad” den Wunsch der NRW-Bürger*innen nach besseren Radwegen auf Landesebene erfolgreich bekundet. Als Ergebnis wird nun in NRW ein Fahrradgesetz erarbeitet, dass die Ziele von Aufbruch Fahrrad umsetzt.
25 Prozent Radverkehr bis 2035: Dafür braucht es eine bessere Infrastruktur
Der RadEntscheid Essen setzt sich auf kommunaler Ebene dafür ein, dass Menschen jeden Alters unabhängig von Geschlecht und Fitness gerne und sicher Rad fahren. Das Fahrrad soll ein gleichberechtigtes Verkehrsmittel neben Auto, ÖPNV und Fußverkehr werden. Dies entspricht auch dem Grüne-Hauptstadt-Ziel der Stadt Essen, bis 2035 den städtischen Verkehr zu je 25 Prozent auf Fahrrad, Fußgänger, ÖPNV und Auto aufzuteilen. Dafür muss noch einiges passieren. Seit dem 15. Mai sammeln Ehrenamtliche deshalb stadtweit Unterschriften für das Bürger*innenbegehren: 13.800 müssen es sein, damit die Stadt sich mit den Forderungen befassen muss. Für das Sammeln der Unterschriften gibt es keine gesetzliche Frist: Das Ziel ist es dennoch, zum Ende der Sommerferien 2020 mehr als die notwendige Anzahl der Unterschriften beisammen zu haben. Die Listen dafür liegen an über 225 Sammelstellen aus und können von der Website ausgedruckt werden. Die Vorbereitungen für das Begehren laufen seit September 2019: Drei Vertretungsberechtigte, 15 Organisator*innen im Kernteam und insgesamt 170 Aktive arbeiten seitdem für den Erfolg des Anliegens. Die Corona-Pandemie verlangt dabei nach Kreativität: Große Veranstaltungen sind nicht möglich, die monatlichen Planungstreffen laufen online.
Pop-Up-Radweg auf der Friedrich-Ebert-Straße
Zum Sammelstart am 15. Mai gab es nahe der „Grünen Mitte“ deshalb statt eines großen Festes zum Auftrakt eine Demo mit Pop-Up-Bikelane: Auf der Friedrich-Ebert-Straße wurde zwischen AOK-Gebäude und Kreisverkehr am Berliner Platz mit Unterstützung der Polizei eine Spur abgesichert, die die etwa 50 Teilnehmer*innen getrennt vom Autoverkehr gut gelaunt befahren konnten. Eine Maßnahme, die in Zeiten von Corona in vielen Städten auf der ganzen Welt getroffen wurde, um dem steigenden Radverkehr Platz zu machen. In Berlin sollen die temporären Radwege bis Ende des Jahres bleiben und danach teilweise sogar umgebaut werden – in Essen durfte der Pop-Up-Radweg immerhin zwei Stunden genutzt werden. Danach wurden am Eingang zur Grünen Mitte die ersten Unterschriften geleistet und die ersten 100 Starterpakete für die Sammelstellen ausgehändigt.
RadEntscheid Junior: Kids sammeln Kinderstimmen für Radwege
Unterschreiben darf den RadEntscheid, wer den Hauptwohnsitz in Essen hat, mindestens 16 Jahre alt ist und EU-Bürger*in ist, denn es gelten die Regeln der Kommunalwahl. Das heißt, dass Kinder und Jugendliche unter 16 nicht abstimmen dürfen, obwohl gerade sie auf sichere Radwege angewiesen sind. Die Kinderinitiative Frohnhausen for Future will das nicht gelten lassen: Marlene, Greta, Linn und Leni haben kurzerhand eine eigene Liste gemacht und ziehen damit über Spielplätze, um andere Kinderstimmen zu sammeln. 500 Unterschriften sind dabei ihr Ziel. Auch wenn die Kinderunterschriften nicht offiziell zählen, sollen sie dem Oberbürgermeister übergeben werden, um ihre Stimmen sichtbar zu machen.
Kreativität ist gefragt: Bürger*innebegehren in Zeiten von Corona

Die erste stadtweite Sammelaktion an Fronleichnam fand großartige Resonanz. Im ganzen Essener Stadtgebiet, von Kettwig und Werden über die City bis Karnap, vom Borbecker Schlosspark bis Steele waren Unterschriften-Sammler*innen in Zweier-Teams für den RadEntscheid unterwegs. Das Ziel lautete „1.000 Unterschriften an einem Tag“ und wurde weit übertroffen. Über 1500 Unterschriften und damit über zehn Prozent der nötigen Unterschriften kamen an einem einzigen Tag zusammen.Wegen dem großen Erfolg der Aktion rufen die Initiatoren an dem Wochenende 27./28.06.2020 zur nächste stadtweite Unterschriftensammlung auf. Das Motto könnte lauten: “Ein Wochenende – 50 Stadtteile – 2.000 Unterschriften!
”Weiter Infos / Kontakt: www.radentscheid-essen.de
Viel Erfolg, RadEntscheid Essen!!! Nur Mut, denn die Wissenschaft hat festgestellt:
„Es braucht nur 3,5% einer Community, damit ein Paradigmenwechsel stattfinden kann!“
Zufällig entspricht das ungefähr dem gesetzlichen Quorum …
Auch „Critical Mass“ genannt. – Klingelt’s?