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Ein Interview mit Heike Giesbert – Kreativ-Therapeutin und Künstlerin.
Frau Giesbert arbeitet mit dementiell erkrankten Menschen im Rahmen der Kreativtherapie.

Kunst ist immer spannend. Die Kreativität findet immer einen Weg zum Ausdruck, zu einer Darstellung, eine Erscheinung. Filzen ist eine von diesen unzähligen Arten. In diesem kleinen Interview geht es nicht nur um Kunst an sich sondern auch um die Wirkung von Kreativen Techniken auf menschliches Gedächtnis und Wohlzustand.

Heike Giesbert ist Kreativ-Therapeutin, Gründerin von einer Filzwerkstatt & Kreativatelier in Essen-Werden.

DW: Frau Giesbert, wie hat sich alles angefangen?

Flitzarbeit, Essen NRW, Giesbert

Giesbert: Vor ca.15 Jahren habe ich einem Drang zum Selbstausdruck nachgegeben und verschiedene Techniken ausprobiert. Letztendlich bin ich beim Malen und Filzen hängengeblieben. In jenem Moment habe ich verstanden – das macht mir am meisten Spaß und genau den Bereich muss ich aufbauen.

DW: Sie sind eine Künstlerfamilie. In Ihrem Atelier arbeiten Sie oft mit Ihrem Mann zusammen. Seit wann kennen Sie sich? Wahren Sie damals bereits beide als Künstler unterwegs?

Giesbert: Wir kennen uns seit mehr als 30 Jahren. Mein Mann war später als ich davon „infiziert“. Obwohl er selber immer viel Kontakt mit Kreativität hatte. Großvater, Mutter, und Schwester haben gemalt. Nun malt jetzt auch mein Mann. Und nicht nur das – er macht sehr schönen Schmuck in unserem Atelier.

DW: Frau Giesbert, Sie machen nicht nur Kunst sondern arbeiten auch im Krankenhaus als Kreativ – Therapeutin. Wo lernt man so was ?

Giesbert: Ich habe Ausbildung im Bereich bildender Kunsttherapie in Bochum-Wattenscheid gemacht. Man kann es natürlich auch studieren. Ich habe es aber nebenberuflich gemacht.

DW: Und wer sind Ihre Patienten?

Giesbert: Meistens sind das demenziell erkrankte Menschen. Ich arbeite mit dem Team des Blaupunktes zusammen und betreue Patienten direkt im Krankenhaus: malen, filzen, Memory-Spiele, Karten-Spiele – alles was in diese Richtung so geht.

DW: Welche Ziele stellen Sie sich dabei?

Meine Patienten haben die erste Stufe von Demenz. Sie sind in Zwischenzeiten noch klar und in den Phasen der Verwirrtheit macht die fremde Umgebung im Krankenhaus ihnen viel Angst. Ich versuche mit der Kreativtherapie diese Ängste zu lindern. Selbstbewusstsein dieser Menschen steigt, wenn sie merken, dass sie etwas schönes hergestellt haben.

DW: Sind diese zwei Beschäftigungen von Ihnen zwei getrennte Sachen oder nur unterschiedliche Facetten von einem?

Giesbert: Das sind schon zwei unterschiedliche Dinge: wenn ich als Therapeutin arbeite und wenn ich für meine Kunstwerke herstelle.

 DW: Sie haben auch viele verschiedene Kurse. Kommt es nicht dazu, dass sie Ihr Verhalten mit Patienten gewissermaßen auf die Schüler übertragen ?

Giesbert: Bei den Kursen geht es um einen Ergebnis. Ich bringe den Kursteilnehmern dafür notwendigen Techniken im einzelnen bei. Wenn ich die Kreativtherapie mache, zum Beispiel Filzen von kleinen Sachen – ist der Vorgang an sich wichtig. Alleine die Arbeit mit Farben, mit warmem Wasser, das Prozess an sich beruhigt die Menschen. Klar gilt dieses Effekt auch für die Kursen-Teilnehmern, aber Sie machen es bewusst. Patienten dagegen machen es unbewusst.

DW: Was ist  das Prinzip dieser Heilungsmethode?

Giesbert: Viele von uns haben in Kindheit irgendwas in Kunstrichtung ausprobiert: Gemalt, Handarbeit gemacht und Ähnliches. Diese Erinnerungen sind auch bei Demenz-erkrankten Menschen noch da. Sie haben ihr Langzeitgedächtnis noch völlig intakt. Und das kann man sich zu nutze machen – die Erinnerungen an die Vergangenheit.Ich habe ein Memory-Spiel mit Motiven von 50. und 60. Jahren. Die Patienten können es viel besser merken, als bei dem Spiel mit Motiven aus der Gegenwart.

DW: Planen Sie irgendwann diese Arbeit aufgeben und sich voll Ihrem Atelier zu widmen?

Giesbert: Nein. Beide Sachen faszinieren mich. Ich werde auf jeden Fall beides weitermachen.Wenn man den Menschen etwas geben kann, das kriegt man unbedingt zurück. Das ist mir bei meiner therapeutischer Beschäftigung sehr wichtig. Das Künstlerische und das Experimentelle ist für mich auch von sehr großer Bedeutung. Da male ich mich so zu sagen selber. Da habe ich meine Auszeit von Allem.

DW: Was ist für Sie das wichtigste in diesem Leben?

Giesbert: die Möglichkeit mich frei zu entfalten. Auch mein Raum, wo ich mich zurückziehen kann, so wie hier und meine Freizeit genießen. Das ist für mich kreativ sein. Hier abgeschottet von der Welt bleiben und da mit den Menschen arbeiten.

DW: Was hat bei Ihnen mehr Einfluss – das Intuitive oder das Logische?

Giesbert: Das Intuitive spielt bei mir eine sehr wichtige Rolle. Dabei bin ich trotzdem bei manchen Sachen gut, welche vielleicht eher im Reich des Logischen liegen. Wie zum Beispiel das Organisatorische. Ich kann gut organisieren und mache es sehr gerne.

DW: Sie bewegen sich in kreativem Bereich genau so wie Ihr Mann. Ich kann es mir vorstellen, dass es manchmal in der Familie schwierig sein kann…

Giesbert: Zu gute kommt uns, dass wir verschiedene Kunstrichtungen in Anspruch nehmen. Mein man malt und macht Schmuck, ich filze. Wir ergänzen einander und kommen nicht in die Quere. Auch unsere Arbeitsbereiche sind im Atelier getrennt.

DW: Tragen Sie Schmuck, was aus Händen Ihres Mannes stammt ?

Giesbert: Sehr viel. Es gefällt mir wirklich sehr gut.

DW: Vor Kurzem haben Sie bekannt gegeben, dass Sie auch geschäftliche Pläne haben. Das neue Präsentationsraum soll an Interessentee vermietet werden.  Lesungen, kleine Musikvorführungen oder auch Ausstellungen sind hier willkommen.  Gibt es vielleicht noch andere Neuigkeiten?

Giesbert: ich bin jetzt in dem dritten Jahr meiner Selbstständigkeit und erst jetzt geht es richtig los. Ich möchte erst mal den neuen Raum bekannt machen, damit wir  ihn anderweitig vermieten können. Auch meine Kurse möchte ich ein bisschen ausweiten und ausbauen. Aber man muss dem ganzen noch Zeit geben.

DW: Als Selbstständige haben Sie leider noch einen anderen Bereich was dazu gehört. Das ganze Papierkram, Buchhaltung etc. Stört es Sie und Ihre Kreativität ?

Giesbert: Buchhaltung mache ich nicht gerne und deswegen habe ich das an Steuerberater abgegeben. Und Marketing… Na ja, sich zu vermarkten ist eine sehr kreative Tätigkeit und das mache ich gerne. Bei meinem Mann ist das weniger ausgeprägt.

DW: Wer sind Ihre Freunde? Sind das überwiegend schöpferische Persönlichkeiten ?

Giesbert: Nein, das kann ich nicht sagen. Das sind ganz unterschiedliche Menschen.

DW: Vielen dank für das interessante und offene Gespräch.