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Jelena Ivanetic - der Weg einer jungen Kroatin zur erfolgreichen Gastronomin

Als wir die Marktschänke im Essener Stadtviertel Steele betreten, erwartet uns eine entspannte Atmosphäre. Eine leger gekleidete Jelena begrüßt uns mit einem charmanten Lächeln.

Auch wenn sie das Gefühl hat sich für ihre Müdigkeit entschuldigen zu müssen, lässt ihre Offenheit jegliche Anspannung von ihr abfallen und sorgt dafür, dass wir uns gleich wohlfühlen. Gerade über die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel sei wieder viel Betrieb gewesen, der ihr noch etwas in den Knochen stecke. Aber Jelena arbeitet gern. Die Gastronomie ist ihr Leben.

Bevor Jelena Ivanetic vor 25 Jahren aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland kam, war sie schon öfters bei Verwandten zu Besuch gewesen. Als während ihres Aufenthaltes in der Heimat plötzlich der Krieg ausbrach, konnte sie das Land nicht mehr verlassen und war somit gezwungen in Deutschland zu bleiben. Ihr Verlobter war im Krieg gefallen, die Eltern und Geschwister blieben zunächst in der Heimat zurück. Jelena war also ganz auf sich allein gestellt. Ihre Erinnerungen beweisen uns wie viel Geschichte und Geschehen sie hier mitherbrachte. Das sei alles sehr schnell gegangen. Zuhause habe man ja schon geahnt, dass die Situation bald eskalieren würde. Voller Dankbarkeit aber erzählt sie davon, dass ihr Vater, der als Koch beim Militär arbeitete, an genau dem Tag, da die Basis überfallen und sämtliche Menschen umgebracht wurden, krankheitsbedingt nicht zur Arbeit gehen konnte und somit überlebte.

„Wir hatten wirklich großes Glück, sagt sie. „Viele Häuser wurden zerstört, unseres ist verschont geblieben. An so etwa haben wir immer gemerkt, dass Gott auf unserer Seite ist.“

Auch wenn es zu Beginn sehr schwierig war ohne Deutschkenntnisse Fuß zu fassen, ruft sich Jelena die Anfangszeit gerne in Erinnerung. Sie lächelt, als sie erzählt, wie sie damals in einem Restaurant in der Küche anfing. Denn der Einstieg in die Gastronomie bescherte ihr auch privates Glück. Durch den Koch, der zeitgleich in einem anderen Lokal arbeitete, kam sie in Kontakt mit dessen Besitzer, der sich schon bald in den Kopf setzen würde, Jelena heiraten zu wollen. Das ahnte sie natürlich noch nicht, als er ihr eine Anstellung bei ihm anbot. Heute ist Jelena sehr glücklich mit ihrer Familie.

Die Menschen, die Jelenas Geschichte von Beginn an miterlebt haben, haben Hochachtung vor ihrer Entwicklung und schätzen ihren Fleiß. Von einer jungen, unerfahrenen Frau hat sie sich zur erfolgreichen Unternehmerin hochgearbeitet. In Bezug auf die Menschen, die ihr begegnet sind, könne sie sich glücklich schätzen.

„Alle waren immer sehr nett zu mir und haben mich behütet.“ Auch ich ahne nun etwas von göttlicher Gerechtigkeit, denn was man aussendet, kommt nun mal auch zu einem zurück“.

Die Freundlichkeit und Offenheit, die Jelena ausstrahlt, erfüllt ihr ganzes Lokal. Ihr privates Interesse für Design und Mode, lässt sie oft in das Ambiente miteinfließen. Die Gemütlichkeit wird von den Gästen sehr geschätzt. So herrscht immer gute Stimmung und Ausgelassenheit.

„Wer hierherkommt, möchte einen entspannten Abend haben. Unsere Aufgabe ist es, alles dazu beizutragen, was wir können.“

Was unbedingt dazu gehört, ist natürlich ein gutes Essen. Die Marktschänke bietet eine Vielzahl an Gerichten. Von gutbürgerlicher bis hin zu internationaler Küche, kann fast alles bestellt werden. Um ein neues Publikum anzulocken, stehen, dank der Unterstützung eines neuen Kochs, neuerdings auch mediterrane Gerichte auf der Speisekarte. Beim Kochen werden keine Mühen gescheut. Täglich wird alles frisch zubereitet. Mit ihrer Auswahl hat Jelena versucht die „goldene“ Mitte zu treffen und scheint mit allem auch stets goldrichtig zu liegen. Dazu trägt aber auch ihre Einstellung bei. Jelena ist keine Chefin, wie man sie kennt. Sie packt gerne selbst mit an, wo Hilfe benötigt wird, ob beim Zubereiten der Vor-und Nachspeisen oder beim Bedienen der Gäste. „Ich trete auch gerne persönlich mit den Gästen in Kontakt, um zu sehen, ob es allen geschmeckt hat.“ Die Freude eines zufriedenen Gastes zu sehen, ist für mich das Größte“, schwärmt Jelena und fasst sich ans Herz. Dass es ihr in der Regel mehr um das Wohl ihres Nächsten bestellt ist, zeugt von großer Weisheit, die sie ihren Eltern zu verdanken hat. Einmal mehr stellte sie dies beim Großziehen des Enkelsohnes ihres Mannes unter Beweis.

„Meine Eltern haben mir viele Werte mit auf den Weg gegeben. Wir kommen aus einem Land, in dem die Familie zusammenhält. Das war damals die schwierigste Zeit meines Lebens, aber, wenn ich heute sehe, wie der Junge sich entwickelt hat, bin ich sehr stolz.“

Ihre guten Taten, so hofft Jelena, sollen ihrer eigenen Tochter zugutekommen. Der starke Zusammenhalt der Familie hat seinerzeit auch ihren Bruder bewegt seine Karriere als professioneller Fußballspieler zu opfern. Um seine Schwester zu unterstützen blieb er, anstatt im Ausland in der ersten Liga zu spielen, bei ihr in Deutschland und half im Restaurant und mit den Kindern. „Ohne meinen Bruder wäre alles um vielfaches schwieriger gewesen“, sagt Jelena und ist voller Dankbarkeit.

Auch wenn immer so viel zu tun ist, dass private Interessen wie ihre Leidenschaft für gute Literatur hintenangestellt werden müssen, liebt Jelena ihren Beruf. Erledigungen werden an den Vormittagen getätigt, bis es am Nachmittag wieder ins Lokal geht. Immerhin ist die Marktschänke an sieben Tagen die Woche geöffnet und Jelena ist gern vor Ort.

„Es macht mir einfach Spaß mit Menschen zu arbeiten, weil ich von allen Menschen etwas lerne. Ich will immer wissen, wie ich ein besserer Mensch sein kann“,

erklärt Jelena ihre Lebensphilosophie.

Der kulinarische Genuss steht auch außerhalb der Marktschänke im Vordergrund. Im eigenen Heim wurde die Küche allerdings prompt in einen Schuhraum umfunktioniert, erzählt Jelena herzhaft lachend und verströmt diese Lebensfreude, mit der sie alle ansteckt.
Dass hier gerne gefeiert wird, können wir uns lebhaft vorstellen. Die Marktschänke bietet Räumlichkeiten für Gesellschaften bis zu 70 Personen. Im Keller befindet sich sogar eine Kegelbahn für sportliche Aktivität nach gutem Essen. Zur Anfangszeit der Marktschänke sei alles finanziell noch etwas schwierig gewesen, weil vieles restauriert, renoviert und repariert werden musste, wie z.B. die Kegelbahnanlage. Hier zeigt sich, wie sehr sich Enthusiasmus und Engagement auszahlen. Jelena behandelt alle Menschen gleich. Das wichtigste sei es, einfach ein guter Mensch zu sein. Auf die Frage, was ihr Geheimnis sei, steigt eine Wärme in Jelenas Augen: „Es gibt kein Geheimnis. Sei du, dann läuft alles wie von selbst.“