Mit der Zeit verändern sich die Dinge.
Sowohl Landschaften und Straßen, aber auch wir Menschen entwickeln uns und werden anders als in früheren Zeiten. Und dennoch benötigen wir Bodenständiges und Vertrautes, das sich zwar mit uns verändert, doch immer ein Teil von uns bleibt. Essen-Heisingen gehört immer noch zu den Stadtteilen, in denen viele Alteingesessene leben. Sie können sich noch lebhaft an die Vergangenheit erinnern.
Einer von ihnen ist Klaus Lammel. Ihn kennen viele und sein Autohaus steht immer noch da, wo seine allererste Werkstatt stand.
Damals war er 30 und wagte einen entscheidenden Schritt. Er kaufte ein Grundstück, stellte drei Mechaniker ein und krempelte selbst die Ärmel hoch. Als Machertyp mit abgeschlossener Ausbildung zum KFZ- Mechaniker und als frisch gebackener Meister wollte Klaus unbedingt ein eigenes Geschäft aufbauen. Der Zeitpunkt war günstig.
Zu dieser Zeit war Heisingen ein florierendes Zechengebiet. Hier verdienten die Menschen gut und so war die Werkstatt immer hervorragend besucht. Bei den Reparaturen achtete das Team auf Qualität, was sich rasch herumsprach. Klaus legte sogar als Meister noch oft selbst mit Hand an. Auch andere Werkstätten waren in der Umgebung ansässig. So gab es an einer Stelle den Seat-Händler Lamm, nicht weit von der Werkstatt Lammel entfernt. Die Arbeit reichte für alle.
Schließlich wagte Klaus Lammel einen weiteren Schritt: Er beschloss selbst Autos zu verkaufen.
In den 70er Jahren wurde er Opel-Händler (autorisierter Opel-Vermittler), indem er mit der renommierten Automarke einen offiziellen Vertrag abschloss. Später ging der Besitzer der benachbarten SEAT-Werkstatt in Rente und Klaus Lammel entschied sich, dessen Werkstattgebäude aufzukaufen, da er bis dato über praktisch keinen Platz für die Ausstellung von Neuwagen verfügt hatte. In sein eigenes Büro passten gerade einmal zwei Modelle. Beim Rückwärtseinparken herrschte bei Klaus und seinen Kollegen stets die Angst, dass sie Anderes beschädigten. Mit der neuen Fläche gewann das Autohaus einen separaten Verkaufssalon hinzu.
Viele Mitarbeiter, die damals schon dabei waren, arbeiten heute noch da.
Im Jahr 1987 besuchte ein 16-Jähriger mit seiner Mutter das Autohaus, um sich für eine Ausbildung zu bewerben.
“Baust du Mist und erzählst es mir nicht selbst, reiße ich dir den Kopf ab, Kleiner!“ An diese Wörter von Herrn Lammel kann sich Herr Schlich, der heutige Geschäftsführer, noch lebhaft erinnern.
„Ich war zwei Jahre lang bei einem Monteur in der Lehre. Er war nett zu mir und hat mir wirklich eine ganze Menge beigebracht. Nach zwei Jahren kam Herr Lammel auf mich zu und sagte, ich dürfte jetzt eine eigene Werkzeugkiste haben und allein arbeiten. Natürlich war ich sehr stolz darauf.“
Mit 17 erwarb Matthias Schlich den Führerschein der Klasse 1B und kaufte sich eine Vespa. Eine kleine Episode, welche viel später das Gesicht des Autohauses und damit auch Heisingen ein Stück weit verändern sollte. Doch bis dahin sollten noch viele Jahre vergehen.
Mit 20 zog er aus dem Elternhaus aus, lernte mit 21 seine zukünftige Ehefrau kennen und sein Sohn wurde geboren, als er 24 Jahre alt war. Da er als Mechaniker nicht sehr viel verdiente, beschloss der frischgebackene Familienvater, sich weiter zu entwickeln. Obwohl er oft unter Zeitdruck stand, hatte Matthias Spaß an der Arbeit, was ihm half, diese harte Zeit zu überstehen. Zu den Kollegen und zum Chef hatte er einen guten Draht. Mit Letzterem verband ihn sogar ein gemeinsames Hobby: Matthias Schlich schraubte gern an Zweirädern und Klaus Lammel an Oldtimern.
„Eines Tages kam der entscheidende Punkt. Wir hatten einen Wagen mit einem elektrischen Fehler zur Reparatur bekommen und ich wollte den Fehler alleine aufspüren. Das konnte ich aber nicht. Mehrere Stunden lang habe ich es erfolglos versucht und kam total frustriert nach Hause. Ich war so frustriert, dass ich die ganze Nacht über das Problem nachgrübelte. Zu dieser Zeit wurde im Autohaus ein Servicetechniker gesucht und ich bewarb mich auf die Stelle. Nach dieser Weiterbildung beschäftigte ich mich fast nur noch mit Fehlerdiagnosen und der Fehlerbeseitigung. Man lernt also nie aus“.
Ab 1999 besuchte Herr Schlich für einen dreijährigen Meisterlehrgang die Abendschule. Nach der Arbeit musste er daher immer zur Schule nach Oberhausen fahren und kam aufgrund des starken Verkehrs häufig zu spät. Um besser voranzukommen, kaufte er sich ein Motorrad und ist seitdem oft auf zwei Rädern unterwegs.
Im Jahr 2009 erhielt er von seinem Chef ein unerwartetes Angebot.
„Zwischen Tür und Angel meinte plötzlich Herr Lammel, dass er sich in paar Jahren zurückziehen wolle – und dass ich doch Geschäftsführer werden könne. Ich war zwar sehr überrascht, habe das Angebot aber trotzdem sofort angenommen.“
Plötzlich war Matthias Schlich für Vieles verantwortlich. Natürlich war er auch im Verkauf tätig. Hier fand er einen Weg, seine alte Leidenschaft ins Spiel zu bringen. Ein kleiner Aufkleber auf der Vitrine des Verkaufssalons verkündete plötzlich: „Wir reparieren Zweiräder“. Mit dem Ergebnis hatte niemand gerechnet: „Wir wurden von der Nachfrage förmlich überrollt. Da damals nur ich Zweiräder reparieren konnte, konnte ich mich mehrere Tage lang um nichts Anderes kümmern.“
Von da an war es nur noch eine Frage der Zeit, bis das Autohaus auch Motorroller und Motorräder ins Verkaufsprogramm aufnahm. Doch zuvor erschien auf der Website des Hauses der Slogan: „Wir reparieren alles“.
Und tatsächlich wurde ab diesem Zeitpunkt schon das ein oder andere Motorrad von Harley, BMW oder Suzuki zur Reparatur abgegeben.
Seit 2015 bietet das Autohaus Zweiräder zum Kauf an. Motorräder der Marken Junak und Orcal Astor stehen nun im Verkaufssalon des bekannten Autohauses in Essen-Heisingen. Für die jungen Anwohner ist das Bild heute genau so vertraut wie damals der Anblick der Opel-Admirale in der Werkstatt des jungen Klaus Lammel.