Ich empfinde unsere Zeit als Zeit des Wandels. Als eine Zeit voller politischer und gesellschaftlicher Spannungen, Enttäuschungen und, vielleicht gerade deswegen, als eine Zeit der großen Hoffnungen.
Die Hoffnung braucht man immer … und man ärgert sich, ärgert sich schwarz, wenn sich eine angebliche Lösung oder auch nur ein Schritt in ihre Richtung als leerer Populismus entpuppt oder als eine nicht zielführende, ja fast hysterische und faktenblinde Gutmenschaktion.
Die Einladung zu einem interkulturellen Weihnachtsfest in der Kreuzeskirche habe ich mit viel Neugier und Sympathie, aber gleichzeitig auch mit gewisser Skepsis angenommen.
Ein Gottesdienst, während dem mit den Angehörigen unterschiedlicher Religionen nicht nur gefeiert, sondern auch zusammen gebetet wird – wie soll es funktionieren?! Eine andere Religion zu respektieren, ist eine Sache, am Gottesdienst dieser Religion teilzunehmen, geht für meine Begriffe schon ein Stück weiter.
Die Tische für etwa 120 Teilnehmer sind sorgfältig gedeckt, die Kirche füllt sich allmählich mit Menschen. Viele Muslime haben ihre Einladung von Reinhard Wiesemann und Monika Rintelen bekommen – von ihnen stammt auch die Idee. Die beiden sind bereits da, sichtbar aufgeregt. Pastor Steffen Hunder hat für die Anwesenheit seiner Gemeindemitglieder gesorgt, ein weiterer Teil des bunten Publikums kommt über den IRE (Initiativkreis Religionen in Essen).
Turbane und Kopftücher, gemischt mit barhäuptigen Köpfen gebürtiger Deutscher, ergeben ein eigenartiges Muster. Was hier passiert, ist nicht für jeden selbstverständlich. Manche Gesichter sind angespannt, andere drücken Neugier aus.
Eine große Gruppe der Anwesenden, wie Stammbesucher des Vielrespektzentrums oder IRE-Mitglieder, ist an interkulturelle Veranstaltungen bereits gewöhnt, strahlt Zufriedenheit und Wohlwollen aus.
Der Gottesdienst beginnt. Schnell zieht der Pfarrer die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich und legt auf diese lärmende Vielfalt den Fokus – heute feiern wir Weihnachten, wir feiern zusammen das große christliche Fest.
Es erklingt die Kreuzeskirchorgel, man singt zusammen. „Stern über Betlehem“, „Ich stehe an deiner Krippen hier“, aber auch „Hevenu Shalom Alejchem“. Es wird mehrmals erwähnt, dass die Wurzeln des christliches Glaubens im Judentum liegen. Zu diesen Thema gibt auch der Theologe Andreas Volke ein paar erklärende Worte ab.
Doch es ist kein nur durch die Veranstalter geführter Monolog. Die Gäste nehmen aktiv am Gottesdienst teil. Es werden die Übersetzungen aus dem Lukas-Evangelium in der arabischen Sprache vorgelesen, ein junges arabisches Mädchen trägt eine Friedensbotschaft in Deutsch und Arabisch vor. Die Atmosphäre wird zunehmend emotionaler und authentischer.
Ganz spontan schlägt ein Mann aus Irak, Adib Matty, der Vorsitzende der Chaldäischen Liga, vor, „Vater unser“ in Aramäisch vorzulesen – ein sehr emotionaler Höhepunkt für viele Anwesenden.
Am Ende des Gottesdienstes verabschieden sich die Menschen voneinander mit einer Umarmung und den Worten „Friede sei mit dir“.
Ich ging aus der Kirche mit einem guten Gefühl und mit einem Stück mehr Vertrauen gegenüber dem Wesen namens Mensch und … auch mit einigen Fragen.
Warum war es so authentisch? Hätte es genauso gut funktioniert, wenn alle Gäste wahllos und spontan auf der Straße angesprochen und zu diesem Fest eingeladen worden wären?
Die Fragen habe ich Pfarrer Steffen Hunder gestellt – er beantwortet sie in diesem kurzen Videobeitrag.
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– das Video war gut !