Die Lebensgeschichte des heute 21jährigen Jaehyeong Park unterscheidet sich so vehement von der anderer Jugendlicher, dass es mir ein Bedürfnis ist den Jungunternehmer zu einem Interview einzuladen. Mit gerade mal 12 Jahren gründete der Technikbegeisterte, der lieber Jay genannt werden möchte, seine erste Firma und arbeitet seither pausenlos an seinen persönlichen sowie technischen Entwicklungen. Jay möchte helfen wo es nur geht, nicht nur im Bereich des programmierten Fortschritts, sondern auch auf menschlicher Ebene. Bevor er seine Konzentration wieder auf die Karriere richtet, möchte er im Kampf gegen Krebs und andere Erkrankungen seinen Beitrag leisten und Stammzellspender werden.
Die Kluft zwischen Arm und Reich – Erinnerungen an die Kindheit
Jays Erinnerungen an seine Kindheit in Daegu, Südkorea sind sehr lebhaft. Aufgrund des starken Lärmpegels der Kampfjets konnte Jay das Leben im Flughafenviertel nur schwer ertragen. Er stammt aus einer ärmlichen Familie, die durch die schlechte wirtschaftliche Lage in der Heimat gezwungen war Insolvenz anzumelden. Da immerhin die Großeltern finanziell sehr gut dastanden, war es ihnen möglich die Familie zu unterstützen, die daraufhin ins sogenannte Reichenviertel umziehen konnte. Jays Vater erhielt so die Chance seine Firma wiederaufzubauen und konnte neue Hoffnung schöpfen. Den Unterschied zwischen Arm und Reich in Südkorea stuft Jay zwar weniger extrem ein als in Japan oder China, doch die neue Umgebung und Konfrontation mit anderen Menschen trugen sehr dazu bei, dass sich seine Lebenseinstellung veränderte. „Es war am Anfang sehr schwierig, mich in eine neue Gesellschaft zu integrieren. Die Kinder besaßen alle Anzüge von berühmten Designern und waren hochnäsig“, erinnert sich Jay und ruft sich seine damit zusammenhängende Gefühlswelt, die von Neid und Angst geprägt war, in Erinnerung. Heute ist er über solche Einflüsse längst erhaben. Seine Ausdauer hat sich bezahlt gemacht. Ihm ist immer bewusst, dass ihn jederzeit ein Schicksalsschlag ereilen kann, deswegen arbeitet er unermüdlich auf seinen Traum hin.
Technik, die begeistert
Sein Interesse für Technik, die sich größtenteils auf Roboter bezog, begann schon in der Grundschule. Mit Hilfe seiner Eltern konnte er sich zahlreiche Geräte anschaffen. Zudem trug die große Hilfsbereitschaft seiner Lehrer dazu bei, dass er an zahlreichen Wettbewerben teilnehmen konnte. Der Auslöser für seine Begeisterung geht ins Jahr 2003 zurück, als er mit seinen Eltern einen Ausflug nach Gyeongju machte. Gyeongju war die Hauptstadt des ehemaligen Königreiches Shilla, das damals eine kulturell sehr gehobene Gesellschaft besaß. Aus diesem Grund steht die gesamte Stadt unter UNESCO-Denkmalschutz. Eine abgedeckte Baustelle zog damals Jays Neugierde herauf, sodass sein Vater ihm erklärte, dass es sich um eine Baustelle unter Denkmalschutz handelte. Über die spezielle Technologie, die es brauchte, das Kulturgut zu schützen, wollte er unbedingt mehr erfahren. Deshalb fragte er seinen Vater noch wochenlang darüber aus, bis er alles ins Detail nachvollziehen konnte. Was uns brennend interessiert sind die Anfänge seiner Firma und wie es dazu kam.
„Ich hatte damals von einer Technologie geträumt, die jeder kennen würde und nicht kompliziert nachzuvollziehen wäre. Der Name der Firma sollte sich an diese Visionen anlehnen. Nach einigen Überlegungen kam ich auf die Idee meine Firma nach einer Lieblingsfischsorte der Koreaner zu benennen. Mindestens einmal im Leben sollte jeder Koreaner eine Makrele probiert haben. Also nannte ich meine Firma ‚고등어 (Godeungeo, übersetzt ‚Makrele‘) aber wegen der schwierigen Aussprache entschied schon bald den Namen in ‚GRobotics‘ abzuändern“, berichtet Park über die Anfangszeit. Zu Beginn seines Geschäfts konzipierten seine Kollegen und er einen Line-Tracing-Roboter, der für Grundschüler geeignet sein sollte. Seine Intention ging vor allem dahin das technische Interesse von Jugendlichen zu wecken. Doch bekanntlich ist aller Anfang schwer. Aufgrund eingeschränkter Produktionsfähigkeit, war es dem kleinen Team nicht möglich eine größere Anzahl Roboter zu verkaufen. Vor allem bürokratisch sei es schwierig gewesen, erzählt Jay. Da bislang noch kein 12-Jähriger in Südkorea eine Firma gegründet hatte, konnte er nicht ohne weiteres eine eigene Steueridentifikationsnummer bekommen. „Die Steuerbehörde untersuchte alle meine Unterlagen, ob es sich bei meiner Firma nicht um eine Paper Company handelte. Der Prozess dauerte ziemlich lange, aber ich hatte Glück. Denn eine Alterseinschränkung für eine Firmengründung war nirgendwo gesetzlich festgehalten; wenn ein Minderjähriger ein Bankkonto eröffnen wollte, brauchte er jedoch eine Vollmacht von den Eltern. Ein Bankkonto durfte ich also noch nicht besitzen, eine eigene Firma schon. Sowas nennt sich Bürokratie“, scherzt er und berichtet weiter von den darauffolgenden Entwicklungen.
Nach der Firmengründung habe er eng mit dem KAIST CCE (Korean Advanced Institute Of Science And Technology – Creative Centre for Entrepreneur) zusammengearbeitet. Dabei handelte es sich um ein staatlich gefördertes Weiterbildungszentrum für hochbegabte junge Unternehmer. Dort wurde er dahingehend ausgebildet, dass er sein Unternehmen heute zukunftsorientiert führen kann, denn er hatte nun viel Gelegenheit Einblicke in die Zukunft der Technik zu gewinnen. Das Institut stellte allen Mitgliedern die neuste VR-Technologie zur Verfügung, darunter z.B. auch den Prototyp eines 3D-Druckers. Dank der Unterstützung konnte Jay viele verschiedene Konzepte entwerfen. Zwei Entwürfe davon wurden schon patentiert, mit denen er sein Unternehmen vorantreiben konnte.
Später erweiterte er seine Firma um einen neuen Geschäftsbereich namens ‚YouTravel‘, den er uns näher vorstellte:
„Das Grundkonzept für YouTravel besteht darin, dass der Kunde seine Reise selber planen kann. Auf unserer Webseite kann man Aktivitätsmodule wie z.B. Skikurse, Wandern, Shopping usw. auswählen und wie Lego-Bauteile beliebig zusammensetzen. Auf Basis dieser Auswahl wird dann ein Reiseplan entworfen, der die verschiedenen Aktivitäten beinhaltet. Unser Fokus lag damals auf der Idee Reisen individueller zu gestalten, weil Koreaner meistens in einer Gruppe reisen. Hier sahen wir eine Interessenslücke der Alleinreisenden.“
Leider stellte sich später heraus, dass das Konzept nicht so gut ankam war, wie zu Anfang vermutet wurde. Koreanische Alleinreisende sind oft schon so versiert, dass sie solch einer Planung nicht bedürfen. Das Projekt bedeutete also einen enormen Verlust. Nach drei Jahren musste die Firma Insolvenz melden. Doch von solchen Rückschlägen lässt sich Jay auch heute noch nicht aus der Bahn werfen. Der technische Bereich hat so viel zu bieten, dass ihm immer wieder neue Ideen kommen. Wenn Jay an die Zukunft der Technik denkt, kommt ihm als erstes das Stichwort „Grundeinkommen“ in den Sinn. „Eine immer weiter fortschreitende Produktionstechnik bedeutet immer günstigere Preise. Mit Hilfe von Automation werden immer weniger Arbeitskräfte benötigt. Schon in naher Zukunft wird meiner Ansicht nach kaum einer noch körperlich arbeiten, sondern nur die Dinge tun, die Roboter und Computer nicht leisten können. Wenn die menschlichen Fähigkeiten mit technischen Fortschritten nicht mehr mithalten können, sprechen wir von ‚Technological Singularity‘. Wir können die Zeit nicht stoppen, und sollten demnach auf eine bevorstehende Revolution vorbereitet sein“, äußert er sich hinsichtlich der Entwicklungen, die der Einsatz von Robotern mit sich bringen wird.
Von Südkorea bis nach Deutschland
Als Genie würde sich Jay zwar nicht bezeichnen, da er diese Bezeichnung ohnehin nicht mag, aber zumindest als Klassen- oder Stufenbeste konnte man ihn, seine ganze Schullaufbahn über, bezeichnen. „Mein Vater hat mir damals eine wichtige Lektion erteilt. Er sagte mir, dass starke Löwen niemals vor anderen Löwen ihre Klauen zeigen würden. Ich versuchte mich also immer zurückzuhalten und niemals wegen Reichtum, Erfolg oder Leistung arrogant zu sein.“
Seine Entscheidung nach Deutschland zu kommen traf Jay genau drei Wochen vor seiner Ausreise. Dem Wunsch seines Vaters, wie er, in Japan zu studieren, wollte sein Sohn ihm nicht erfüllen. Sein Weg sollte ein anderer sein. Die Sehnsucht nach einer neuen Umgebung, einer neuen Kultur und neuen Freunden war groß. Von Deutschland als einem technisch sehr fortgeschrittenen Land hatte er schon viel gehört. „Vor allem mein Interesse für die Automobilindustrie zog mir hierher, zumal die Automobil- und Roboterindustrie viel miteinander gemein haben. Es ist tatsächlich so, dass in naher Zukunft fast alle Autos mit Hilfe von Robotertechnik autonom fahren werden. Ich sah hier meine Chance, die beste Automobiltechnik der Welt kennenzulernen, um mich auf diesem Gebiet weiterzubilden. Solange wir noch nicht durch Wurmlöcher reisen können, ist die Verkehrstechnologie das Fundament aller Dinge.“
Außer, dass er immer dachte die Deutschen würden übermäßig viel Bier konsumieren, hatte Jay im Vorfeld keine bestimmten Vorstellungen, bevor er nach Deutschland kam. Menschen seien Menschen, meint er und was sollte denn in der Ferne anderes sein als Zuhause? Mit solch Furchtlosigkeit packte er also seine Sachen und machte einen großen Schritt in die eigene Unabhängigkeit. Dass es durchaus Unterschiede zur Heimat gibt, konnte Jay jedoch ebenfalls schnell feststellen. Die komplette Lebenseinstellung sei anders.
„In Südkorea wird den Schülern eingetrichtert, dass sie unbedingt die Elite-Unis in Seoul besuchen müssen, weil sonst ihr ganzes Leben scheitert. Das sorgt schon sehr früh für starken Leistungsdruck. Der koreanischen Jugendliche kennt nur ein Ziel, es auf solch eine Elite-Uni schaffen. Individualität bleibt meist auf der Strecke. Nur wenige haben Zugang zu ihren eigenen Träumen. In Korea kann zwar jeder Mathematik und Physik, aber dafür verpassen die Jugendlichen andere wichtige Lehren des Lebens. Ironischerweise war die Einbildung die größte Treibkraft für die südkoreanische Wirtschaft, die heute zur 8. größten Exportnation zählt. Aber man fragt sich natürlich, wie lange eine Treibkraft perspektivloser Studenten noch funktionsfähig ist.“
Wer viel ausgefallen denkt, muss dementsprechend essen. Seine kulinarischen Erlebnisse seien toll gewesen, sagt Jay und ist erstaunt über die Vielfalt der deutschen regionalen Küchen. „Ich hatte stets nur an Wurst und Brezel gedacht, wenn ich an Deutschland dachte. Aber es zeigte sich, dass man nicht nach Frankreich oder Italien reisen muss, um kulinarische Überraschungen zu erleben.“
Was er an Deutschland am meisten schätze sei unsere Gelassenheit.
„In einer Starkleistungsgesellschaft wie in Südkorea, wird man jeder Zeit von anderen bewertet und beurteilt. Denn die Koreaner geben sehr viel auf die Meinungen anderer. Deshalb sind die Menschen dort immer angespannt und depressiv. Man sollte zwar auch nicht zu sorglos sein, aber ein bisschen Gelassenheit braucht man auch, wenn man als echter Mensch leben möchte.“
Eine konkrete Lebensphilosophie habe er nicht, dafür aber eine klare Regel: „Wenn es dir nicht gefällt“, sagt Jay, „dann tue es auch nicht.“ Dennoch müsse man sich darüber im Klaren sein, dass man Verpflichtungen habe und Verantwortung für sein Handeln trägt. Wenn man Jay so reden hört, kann man schon erahnen wie viele Erfahrungen er in seinem Leben gemacht hat. „Bis vor paar Jahren waren mir die Meinungen anderer Menschen sehr wichtig. Was andere über mich denken oder wie ich mich verhalten sollte. Jetzt hat sich alles geändert. Ich ziehe an, was mir gefällt und ich studiere, was ich möchte. Ich lebe mein eigenes Leben.“